100 Jahre „Vereinigung Kriminaldienst Österreich“

Ein rundes Jubiläum ist ein Anlaß und ein Grund zum Feiern. Der Vorstand der „Vereinigung Kriminaldienst Österreich“ VKÖ lud im Oktober 2021 zu einer Gala in die Wiener Sophiensäle, gefeiert konnte auf Grund der Corona-Maßnahmen erst mit eineinhalbjähriger Verspätung. Dem Festakt ging eine Generalversammlung voraus, in der Langzeitpräsident Chefinspektor Richard Benda (2009-2021), der in den wohlverdienten Ruhestand trat und zum Ehrenpräsidenten ernannt wurde, die Leitung an Ministerialrat Dieter Csefan vom Bundeskriminalamt übergab.

Festakt 100 Jahre VKÖ
Foto: UNCAV

Der VKÖ blickt auf eine abwechslungsreiche Geschichte zurück: „Freie Vereinigung der Wiener Kriminalbeamten“ hieß die Organisation, die als Vorläuferorganisation der „Vereinigung Kriminaldienst Österreich“ anzusehen ist. Gegründet wurde sie am 31.12.1920.

Bereits ein Jahr später wurde die Vereinstätigkeit auf ganz Österreich ausgedehnt, im Laufe der Jahre erfolgten einige Namensänderungen, bevor im Zuge des Anschlusses Österreichs an das Deutsche Reich der VKÖ aufgelöst und das Vermögen dem Deutschen Beamtenbund übertragen wurde.

Festrede Dr.Nina Kaiser, ZiK, Institut für Strafrecht, Universität Graz.
Foto: Sabitzer

Im März 1948 erfolgte eine Wieder-Gründung, aber erst mit der Rückgabe der Vermögenswerte konnte die Vereinigung im Februar 1949 ihre Tätigkeit wieder aufnehmen. Ein eigenes Vereinsbüro wurde eingerichtet bevor nach einer Umsiedlung das Haus 1090 Wien, Müllnergasse bezogen wurde, wo sich auch heute noch die Büroräumlichkeiten befinden.

Im Jahr 2009 nahm die neu gewählte Vereinsleitung weitreichende Statutenänderungen und eine völlige Umorganisation vor. Alle Polizeibeamte, die kriminalpolizeiliche Tätigkeiten verrichteten, konnten Mitglied werden, seit 2016 verfügt der VKÖ auch über Sektionen in allen Bundesländern.

Seit 2009 kooperiert die VKÖ auch international mit gleichartigen Organisationen sowie mit der “Donau-Universität Krems“ und ist Mitglied beim „Kuratorium Sicheres Österreich“ und des „Conseil Européen des Syndicats de Police (CESP)“ mit Sitz in Paris.

Den Festvortrag hielt Frau Dr.Nina Kaiser, Projektassistentin im Hans Gross Zentrum für interdisziplinäre Kriminalwissenschaften (ZiK), Institut für Strafrecht, Strafprozessrecht und Kriminologie an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Graz zum Thema „100 Jahre Vereinigung Kriminaldienst Österreich – Hans Gross, der Kriminaldienst und die Bedeutung der Kriminalistik – Zur Notwendigkeit der Kooperation von Wissenschaft und Praxis“.

Schlüssel-Übergabe von Ehrenpräsident Richard Benda (li) an Präsident MR Dieter Csefan (re).
Foto: Sabitzer

Den Fokus setzte Frau Dr.Kaiser auf Hans Gross, der bereits vor über 100 Jahren, also schon ein paar Jahrzehnte vor Gründung der VKÖ, die Wichtigkeit der kriminalistischen, kriminalwissenschaftlichen Forschung und der gemeinschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Kriminalpolizei und Juristen erkannt hat. Mit den von Hans Gross entwickelten Methoden zur Spurensicherung und Auswertung und seiner kriminalpsychologischen Forschung zur Täterpersönlichkeit prägte er die Entwicklung der Kriminologie bzw. Kriminalistik international. Er verfasste ein eigenes Handbuch für Untersuchungsrichter, das auch heute noch die Bibel der Kriminalistik genannt wird. Sogar das FBI nutzte es und dort gilt Hans Gross heute noch als Begründer der „criminal investigation“. Gross war der Ansicht, daß Juristen auch in der Kriminologie und der Kriminalistik geschult werden müßten, da von ihnen auch in der Praxis abverlangt werde, nicht nur Rechtsfragen, sondern auch Tatfragen zu beantworten. Hierfür gründete Hans Gross im Jahr 1912 das k.k. kriminalistische Institut an der Universität Graz als weltweit einzigartiges Institut. Von Beginn an zeigte er großes Interesse an der Arbeit der österr. Kriminalbeamten und hielt auch kriminalistische Vorlesungen für Gendarmerieoffiziere. Er betonte die Wichtigkeit des Austausches von Wissenschaft und Praxis und daß man sich stets fragen müsse, wie man das gesamte kriminalwissenschaftliche Know-How dem Praktiker bestmöglich zur Seite stellen kann.

Frau Dr.Kaiser verwies in weiterer Folge auf den derzeitigen Mangel an kriminalistischer bzw. interdisziplinärer kriminalwissenschaftlicher Perspektive in Forschung und Lehre, deren Wichtigkeit noch bis heute nichts an Bedeutung verloren hat. Das gilt insbesondere in Zeiten eines rasenden wissenschaftlichen und vor allem kriminaltechnischen Fortschritts, der steigenden Komplexität von Sachverhalten gepaart mit kulturellen, ökonomischen, rechtlichen und politischen Veränderungen. Das neue Hans Gross Zentrum für interdisziplinäre Kriminalwissenschaften an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Graz soll eine Schnittstelle zwischen Universität und Praxis darstellen, wo gemeinsam mit justizinternen wie auch justizexternen Experten gearbeitet wird, um die zukünftige Forschung, Lehre und Praxis in einer Form zu bereichern, die den Anforderungen des 21.Jahrhunderts gerecht werden kann.

Autoren: Dr. Nina Kaiser, Hermann Kroiher